Der 27. Mai - Ami, je suis la Solitude! scheint mir die
Einsamkeit täglich zu tuscheln, mit der ich mich wie mit einer einstigen
Liebsten vertraut gemacht habe. Und dieser schlichte Vers der bekannten
"Dezembernacht" Mussets, auf den ich mich an diesen friedlichen und
ungestümen Orten besinne, eignet sich eine Wehmut an, die einen zur Ekstase, zu
einem herzzerreißenden Jammer führt... Er berührt die Empfindlichkeit in ihren
feinsten, zartesten Saiten...
Ermattet von der Unruhe, gekränkt durch die
Enttäuschungen, sehnt sich unser Gemüt oftmals nach der Verbannung einer
unvergänglichen Einsamkeit. Aber späterhin gestaltet sich selbst diese
Einsamkeit zu einem Leid.
Eine unerbittliche Mitwelt verdrängt das Streben und die
Rührseligkeit eines souveränen und edlen Gemütes, indem sie ihm die
Bekundungsmittel verweigert. Zwischen jenem Gemüt und der Mitwelt keimt ein
wehmutsvolles Missverhältnis.
Hingegen, in einer stillen und milden Einsamkeit
gestaltet sich das Gemüt zu einer hochgemuten, den Illusionen hingegebenen
Seele und verspürt das Bedürfnis, sein ehemaliges Streben zu beflügeln. Nun,
führt diese Einwirkung der Einsamkeit nicht etwa zu einem neuen Argwohn und
Angstgefühl vor dem Verlust desselben Strebens?
Da ist tatsächlich etwas, was ich seit langer Zeit
versuche.
In der mühsamen
Kampf um das Überleben begann ich mich an das Fehlen der Wunschträume zu
gewöhnen und hatte mein Gemüt in Obhut eines vernünftigen Skeptizismus in
Schlaf versetzt. Wenn ich ganz einsam bin, finde ich mein Gefallen an dem
Miterleben mit meinen einstigen Wunschträumen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass
sie mir aufs Neue entkommen werden, - und es ist selbst diese Voraussicht, die
sich langsam in ein Leid verwandelt, das ich schon befürchte.
Und zählt nicht etwa zu den Weisheiten des Lebens,
zumindest ein paar Wunschträume zu haben?
***
Der 5. Juli - Der Himmel ist mit dünnen Wolken befleckt,
die wie weiße, durch den Luftraum schwebende Eilande aussehen.
Diese schönen Sommerwolken wecken die Wanderlust und das
Fernweh wie keine anderen.
Ich starre sie an und liege auf dem Sand am Ufer, wie ein
Narr, der die Wahnbilder seines Geistes bestaunen würde.
Ich würde so gerne sprechen, singen, weinen, lachen, aber
da fehlt jemand - wer doch? - der mir zuhören, mich wahrnnehmen, mich
verstehen, mich lieben möchte.
Nur kann ich mich jetzt in mir selbst absondern, mir
Gedanken machen, - und allem Anschein nach fürchte ich meine Gedanken.
Ein Leid, das ich als "die Einsamkeit des
Gemüts" bezeichnen würde.
Unter Leuten nehme ich dieses Leid seltener wahr;
inmitten der Natur kommt es immer wieder zurück.
Immerhin deckt sich in fast jedem menschlichen Gemüt ein sauberer
Liebeskern, der sich für ein anderes Gemüt erhält; eine Liebe, die heiterer,
vorbildlicher als die selbstsüchtige Liebe, die Eigenliebe ist; und wenn uns
jenes Gemüt, für das wir diese Liebe behielten, nicht in die Quere kommt, -
bleibt unser Gemüt allein.
Diese Einsamkeit gilt vermutlich als eine der
wesentlichen Ursachen unseres Leides.
Manche sterben sogar daran, - wie Werther es getan hat;
andere werden zu Menschenfeinden oder Zweiflern, wie es unter den heutigen
Jugendlichen gezeigt wird, - blassen, zartfühlenden Jugendlichen, ohne
Begeisterung.
Doch wozu dieses Bedürfnis unseres Gemütes, sich in ein
anderes zu verschmelzen und aus der eigenen Einsamkeit emporzuquellen?
Die Todesangst, - instinktgesteuert -, kriecht in uns
alle. Der Gedanke an die Vernichtung, an das endgültige Ableben, ist vermutlich
die Ursache dieses Bedürfnisses, das unser Gemüt hat, nicht allein zu sein und
in der Erinnerung eines anderen Gemütes fortzudauern.
Während mir all diese Gedanken in den Sinn kamen, tönte
die Sonne das Wasser in einer strahlend silbernen Farbe ab, als ob sie
Strahlenharmonien in die Wellenlieder hätte gießen mögen.
Und ich weinte, - Gott allein weiß warum.
Kimon Loghi - "Geblühter Baum"